Aditya Aryal aka SadhuX gehört zu den einflussreichsten Talenten der noch jungen Streetart-Szene in Nepal. Geboren 1986 in Kathmandu, widmet sich der junge Künstler in seinen Arbeiten der einzigartigen Verschmelzung von urbanen Themen mit traditionellen Bildern, die sich häufig auf das soziale und religiöse Umfeld seiner Heimat Nepal beziehen.
Stencils und klassische Graffiti gehören ebenso zum künstlerischen Repertoire SadhuXs, wie Skulpturen, Installationen und Acryl- oder Ölgemälde auf Leinwand. Inspiriert von der traditionell nepalesischen Mithila- und Thankga-Malerei, erschafft der Künstler leuchtende Farben, geometrische Muster und traditionelle Ikonographien in Verbindung mit unverhältnismäßigen Körpern und Formen psychedelischer Realitäten.
Seine Figuren weisen nicht selten Ähnlichkeiten mit lokalen Gottheiten auf. Für SadhuX führt die Neuinterpretation traditioneller Bilder mit unterschiedlichen Ausdrucksformen zu neuen Perspektiven und Möglichkeiten, die eigene Wahrnehmung verschiedener Realitäten und deren Folgen zu reflektieren. Durch die repetitive Verwendung von Phallussymbolen, Schädeln, sowie Mudras und deren Kombination mit urbanen Elementen fordert SadhuX bestehende religiöse Dogmen heraus und stellt zugleich soziale Moralvorstellungen in Frage.
Mit seinen vielfältigen Arbeiten konnte der Nepalese nicht nur in seinem Heimatland Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Seine Werke wurden u.a. bei der Hamburger Millerntor Gallery, sowie auf der St+ART India ausgestellt und Kunden aus New York, Kopenhagen, Lissabon, London und Nantes gehören zu den zahlreichen Auftraggebern des jungen Nepalesen.
Neben seinem eigenen Wirken widmet sich SadhuX der Unterstützung von nepalesischen Nachwuchstalenten, um die Kreativszene in seinem Heimatland zu fördern. Er ist Mitbegründer des gemeinnützigen Kunstprojekts Kaalo.101 und hat Festivals wie das Micro Galleries ins Leben gerufen, an dem über 60 aufstrebende und internationale Künstler teilnahmen.
Im Interview mit xPlicitAsia spricht der Künstler über den kulturellen Einfluss in seinen Werken, über seinen künstlerischen Werdegang und über sein Engagement in der noch jungen Streetart-Szene Nepals.
Was hat dich dazu inspiriert, Künstler zu werden und wie hast du angefangen, als solcher zu arbeiten?
Ich habe schon als Kind damit angefangen, mich künstlerisch zu betätigen. 2004 machte ich eine Reise nach Paris und blieb dort ca. 1 Jahr. Meine Zeit in der französischen Hauptstadt hat mich maßgeblich dazu inspiriert, die Kunst nicht nur als Hobby, sondern auch als Beruf auszuüben. Zurück in Nepal, begann ich in Kathmandu Bildende Kunst zu studieren und schloss mein Studium mit Auszeichnung ab.
Wie würdest du deinen persönlichen Stil definieren?
Meinen persönlichen Style würde ich als eine visionäre Kunstart bezeichnen. Er ist eine Mischung aus sehr hellen Farben, plastischen Formen und surrealen Bildern. Darüber hinaus verwende ich in meinen Werken viele geometrische und organische Muster, die von den sehr traditionellen Kunstformen Nepals namens Mithila und Thankga inspiriert sind. Meine Arbeiten sind zwar stark von den traditionellen Künsten Nepals beeinflusst, dennoch ist mein Stil mehr eine Neuinterpretation der Thankga-Malerei.
Aditya, du giltst als einer der Pioniere der nepalesischen Graffiti-Szene. Wie war es damals, als du angefangen hast, Streetart zu machen?
Als ich 2011 meine ersten Bilder auf den Straßen Kathmandus malte, gab es fast niemanden in der Szene. Nur ein kleines Kollektiv war damals aktiv. Besonders in sehr belebten Ecken der Stadt tauchten plötzlich immer mehr Graffitis auf, die ich sah. Das hat mich wirklich sehr motiviert, selber auf die Straße zu gehen und Streetart zu machen.
Danach sah man auch immer mehr kleine Tags, Throw-Ups und Wildstyles, die Graffitikünstler aus dem Ausland in den touristischen Gebieten Nepals hinterließen. Das waren meine ersten Vorbilder und ich erkannte, wieviele verschiedene Formen von Streetart und Graffiti existierten. Auch ich begann, kleinere Tags, Throw-Ups und Stencils zu zu machen. Besonders Stencils habe ich zu Beginn viel eingesetzt und mach es immer noch oft und gerne. Insgesamt gibt es in Nepal – damals wie heute – immer noch wenige Streetart- und Graffitikünstler. Trotzdem wächst die Szene Schritt für Schritt und ich kann sagen, dass derzeit viele gute und positive Dinge passieren.
Deine Werke sind von der traditionell nepalesischen Kunst und Kultur beeinflusst. Besteht ein Konflikt darüber, Künstler in der modernen Welt zu sein und gleichzeitig kulturelle Traditionen zu bewahren?
Ja, ich denke schon. In gewisser Weise ist es immer konfliktreich für den jeweiligen Künstler. Besonders in Bezug auf das Publikum und die Menschen, die deine Kunst betrachten. Die Leute möchten oft den nepalesischen Touch in deinen Werken sehen. Besonders klischeehafte nepalesische Motive wie Mönche, Porträts von armen Kindern, Landschaften mit Tempeln und buddhistisch geprägte Themen sind beliebt.
Ich bin weniger daran interessiert, diese klischeehaften Motive zu verwenden und doch sind meine Werke natürlich stark von meiner Kultur beeinflusst. Es sind ja schließlich meine eigenen Wurzeln und damit ein Teil meiner Identität. Meine Werke spiegeln, wer ich bin und wo ich herkomme. Der Einfluss meiner Kultur und meiner Heimat Nepal ist eines von vielen Elementen, die ich nutze, um meine Emotionen und meinen Standpunkt auszudrücken.
Gibt es eine Botschaft, die du mit deiner Kunst vermitteln möchtest und wie hoffst du, dass die Menschen darauf reagieren?
Es hängt davon ab, welche Art von Kunst ich mache. Da ich nicht nur einen bestimmten Stil verwende, sind auch die Botschaften hinter den Bildern unterschiedlich. Ich benutze unter anderem Stencils, verschiedene Medienmixe oder Freestyle-Charaktere, die mehr von traditionellen Thankga-Bildern geprägt sind. Dementsprechend ist es je nach Style eine andere Form des Ausdrucks. Mit den Stencil-Werken kann man unter anderem viel besser soziale und politische Probleme in unserer Gesellschaft thematisieren.
Insofern nutze ich meine Kunst, um eine bestimmte Botschaft zu vermitteln und manchmal aber auch, um einfach meine persönlichen Gefühle, Ängste oder Einstellungen auszudrücken. Das ist maßgebend für die Wahl eines Mediums. Anders gesagt gibt es bestimmte Botschaften in meiner Arbeit, aber es hängt auch von dem Publikum ab, wie sie es wahrnehmen wollen. In manchen Fällen möchte ich, dass mein Publikum seine eigene Geschichten oder Dialoge erschafft. Sozusagen eine eigene Interpretation dessen, was ich erschaffen oder ausgedrückt habe. Es kann auch sein, dass meine Arbeiten sehr direkt und politisch sein können und eine offensichtliche gesellschaftspolitische Aussage dahinter steht.
2016 hast du als Künstler an dem seit 2011 stattfindenden Kunst- und Kulturfestival Millerntor Gallery in unserer Heimatstadt Hamburg teilgenommen. Wie war diese Erfahrung für dich?
Ja, die Millerntor Gallery war eine besondere Erfahrung für mich. Ich denke Teil einer gemeinnützigen Sache zu sein, ist immer etwas, was ich gerne tue. Die Millerntor Gallery hat es mir ermöglicht, zu reisen und Kunst zu machen und ich bin wirklich dankbar dafür. Durch die Millerntor Ausstellung habe ich es geschafft, ein paar meiner Werke auf die Straßen Hamburgs zu bringen. Was an sich schon eine große Sache für mich ist. Beides waren große Auftragsarbeiten und es hat mich in meiner Entwicklung als Künstler weiter voran gebracht.
Dank der Millerntor Gallery hatte ich außerdem die Möglichkeit, viele großartige Graffiti- und Streetart-Künstler aus Hamburg und Deutschland zu treffen. Große Künstler wie zum Beispiel Bobbie Serano, Björn Holzweg und Nils Kasiske waren 2016 auch Teil der Ausstellung. Mit einigen Graffitikünstlern aus Hamburg, wie Tona, Heis und Mint ist sogar eine enge Freundschaft entstanden.
Deine Arbeit hat sich inzwischen von den Straßen in die Galerien verlagert. Wie unterscheidet man zwischen der Arbeit, die man für die Straße leistet, und einer kontrollierteren Umgebung wie einem Studio, ohne dabei seine visuelle Identität zu verlieren?
Die Arbeiten im Studio sind immer geplanter, integrierter und detaillierter als die Arbeiten, die ich auf der Straße mache. Auf der Straße arbeite ich meistens mit Sprühfarbe. Das heisst, dass es sehr schnell ausgeführt werden kann, verglichen mit den Werken im Studio. Eine Galerie oder ein Studio ist auch mehr wie ein gesicherter, bequemer Raum, in dem ich viel Zeit verbringen kann. Darüberhinaus kann ich mir, bevor ich anfange, eine Menge Gedanken über das Stück machen. Während die Werke auf der Straße eher zufällig passieren, nicht gut geplant sind, aber dafür mehr Freestyle-Charakter haben.
Wie wird Streetart in Nepal aufgenommen und glaubst du, dass die Gesellschaft Streetart-Künstler akzeptiert?
Interessanterweise ist die Gesetzeslage in Nepal bisher unklar, wenn es um die Legalität oder Illegalität von Graffiti und Streetart geht. In dieser Hinsicht sind einige der Streetart-Künstler ziemlich smart, keinen Vandalismus zu betreiben oder viele Tags zu malen und somit den öffentlichen Raum zu zerstören. Die meisten von uns Streetart-Künstlern holen sich vorher die Erlaubnis des Wandbesitzers ein. Dementsprechend gibt es in Nepal eine Reihe gut ausgeführter und zeitaufwändiger Werke auf den Straßen, besonders hier in der Stadt Patan.
Ich denke, das ist auch der Grund, warum die Gesellschaft hier eine wirklich positive Einstellung zu Streetart hat. Meist bekommen wir ziemlich schnell das Einverständnis der Wandbesitzer, wenn wir darum bitten. Die Leute sind neugierig und stellen Fragen, während wir malen. Keiner der Menschen fühlt sich angegriffen oder macht negative Bemerkungen über das, was wir tun. Die Gesellschaft nimmt es sehr gut an und es gibt eine richtig gute Energie in Bezug auf Streetart in Nepal.
Gibt es Künstler – egal aus welchem Genre -, die dich und deine Kreativität inspiriert haben?
Ja absolut. Am stärksten inspiriert haben mich die Streetart-Künstler Os Gemeos, sie sind Zwillingsbrüdern aus Sao Paulo, Brasilien. Aber auch Doze Green aus den USA und Okuda aus Spanien. Ich bin auch wirklich begeistert vom südamerikanischen Streetart und Graffiti-Style.
Gibt es aktuelle Projekte, Ausstellungen oder Kooperationen, über die du unsere Leser gerne informieren möchtest?
Ja, ich möchte über mein Projekt Kaalo.101 berichten, das ich mit meiner Partnerin Helena ins Leben gerufen habe. Es ist ein Art Space, den wir 2017 in der Altstadt von Patan in Nepal, eröffnet haben. Wir haben ein sehr altes Haus renoviert und daraus einen öffentlichen Kunstraum gemacht. Jetzt ist es ein Galerie-, Wohn- und Atelierraum, wo sich junge, kreative Köpfe treffen und eine Menge kreativer Ideen entwickeln können, um unsere Subkulturen hier in Nepal zu bereichern. Es ist auch ein sehr persönliches Projekt und wann immer ich Zeit habe, möchte ich meine Zeit in dieses Projekt investieren. Weshalb ich die meiste Zeit dort verbringe. Zusätzlich mache ich hauptsächlich kommerzielle Arbeit, um mich finanziell über Wasser zu halten.
Würdest du uns zum Schluss noch ein paar schnelle Fragen beantworten?
Deine Lieblingsband oder Musiker?
Radiohead
Deine Lieblings-Streetart-Künstler?
Os Gemeos und Nunca
Dein Lieblingsfilm?
Pulp Fiction
Dein Lieblingsbuch?
Der Fänger im Roggen von J.D. Salinger
Dein liebstes Essen?
Sushi
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Artist collective Kaalo.101: www.kaalo101.net