Die Gesichter Myanmars

Eindrücke des Fotografen Giacomo Carlini

Myanmar hat den italienischen Fotografen Giacomo Carlini so beeindruckt, wie vielleicht kein anderes Land zuvor. Tagelang ist der Italiener durch die zerklüfteten Bergregionen Myanmars gewandert, um die Menschen des Volksstammes Chin zu finden.

Die Chin sind eine tibeto-birmanische Volksgruppe, die hauptsächlich im Westen des Vielvölkerstaats Myanmar ansässig ist. Weitgehend abgeschnitten von der Zivilisation, leben die Chin in traditionellen Dörfern, die nur durch tagelange Wanderungen zu erreichen sind. Touristen dürfen den Chin Staat erst seit wenigen Jahren bereisen und so ist die Region vom Tourismus noch weitgehend unberührt. Wer die mühsamen Wanderungen und Reisestrapazen auf sich nimmt, den erwartet ein Erlebnis, das traditioneller, ungewöhnlicher und altertümlicher nicht sein kann.

Giacomo Carlini aus Italien hat die tagelangen Wanderungen durch den zerklüfteten Chin Staat in Myanmar auf sich genommen, um die Kultur der Chin mit eigenen Augen zu erleben. Seine Bilder sind nicht nur einfühlsam und eindringlich. Sie erzählen auch von einer einzigartigen Tradition, die kurz vor dem Aussterben steht. Für xPlicitAsia hat Carlini seine Erlebnisse geteilt und über seine Arbeit als Fotograf gesprochen.

Giacomo Carlini – Eine Selbstvorstellung

Mein Name ist Giacomo Carlini, ich bin 29 Jahre alt und komme aus Italien, wo ich als Fotograf arbeite. Geboren wurde ich in Cairo Montenotte, einer kleinen Stadt in Ligurien im Nordwesten des Landes. Als ich 18 Jahre alt war, zog ich nach Genua. Genua ist ein wunderbarer Ort, ich liebe diese Stadt bis heute und nenne sie mein zweites Zuhause. Hier studierte ich Internationale Beziehungen.

Da ich mich schon immer für Politik, Reisen, Journalismus und zeitgenössische Themen interessierte, begann ich nach dem Studium für eine Nichtregierungsorganisation (NGO) zu arbeiten, die weltweite Entwicklungsprojekte unterstützte. Meine NGO-Arbeit ermöglichte es mir, für einige Monate im afrikanischen Mosambik zu leben, wo ich die NGO-Homepage betreute und Fotos machte. Schnell entdeckte ich meine Leidenschaft fürs Storytelling und für die Reportagefotografie. Nach meiner Rückkehr zog ich nach Mailand, um meine Kenntnisse der Fotografie zu verbessern. Sowohl privat als auch im Auftrag von Nichtregierungsorganisationenen hab ich seitdem u.a. Myanmar, Indien, Russland und andere Länder bereist.

Über meine Arbeit als Fotograf

Für die Fotografie versuche ich meine Sensibilität zu nutzen, um mich Menschen anzunähern und mit ihnen in Kontakt zu treten. Auf diese Weise schieße ich Porträts, die Königsdisziplin der Fotografie – zumindest meiner Meinung nach. Farben, sanftes Licht und die Perspektive bilden eine perfekte Einheit in der Porträtfotografie. Die Bilder wirken, als wären sie lebendig. Das Studium der Fotografie ist ein laufender Prozess, der ein Leben lang andauert. Wenn ich meine Absichten und Ziele als Fotograf beschreiben müsste, dann würde ich sagen, dass ich die Schönheit unseres Planeten einfangen möchte. Bedingt durch Kriege, Armut oder Naturkatastrophen ist unsere Welt ständigen Veränderungen unterlegen. Was konstant gleich bleibt, sind allerdings die Menschen und ihre wertvollen Traditionen, ihre Moralvorstellungen und die reiche Geschichte, die wir alle teilen.

Die Gesichter Myanmars

Myanmar – Ein spiritueller Ort der Ruhe

Myanmar besuchte ich das erste Mal im Winter 2017. Zwischen dem indischen Subkontinent und Südostasien gelegen, ist das Land vom buddhistischen Glauben und einer tiefen Spiritualität geprägt. Anders als in Indien und Nepal, geht es hier sehr ruhig und friedlich zu. Als eines der spirituellsten Länder weltweit ist es ein Refugium traditioneller Lebensweisen und ein Ort der Ruhe. Der Buddhismus wird hier streng gelebt und hat einen großen Einfluss auf den Alltag der Menschen. Die Bewohner des Landes haben einen wunderbaren Eindruck auf mich hinterlassen. Sie waren freundlich, zuvorkommend und sehr gastfreundlich.

Die Gesichter Myanmars

Das „vergessene Volk“ der Chin in Myanmar

Den wohl bleibendsten Eindruck meiner Myanmar-Reise hat der sogenannte Chin Staat auf mich gemacht. An der Grenze zu Indien und Bangladesch gelegen, gehört er zu den abgelegensten und ärmsten Regionen des Landes. Wegen der Militärregierung war das Reisen in den Chin Staat lange Jahre verboten. Erst seit wenigen Jahren dürfen Touristen in die Bergregion reisen.

Die tätowierten Frauen der Chin – Eine aussterbende Tradition in Myanmar

Im dünn besiedelten Chin Staat lebt das Volk der Chin, eine ethnische Minderheit, die aufgrund ihrer reichen Geschichte und Tradition wirklich einzigartig ist. Entsprechend einer uralten Tradition tragen die Frauen des Volksstammes Tätowierungen auf dem Gesicht. Woher die Tradition kommt, darüber gibt es unterschiedliche Geschichten. Häufig habe ich gehört, dass es hier einst einen König gab, der junge Mädchen entführen und zu sich bringen ließ. Um diesen Entführungen vorzubeugen, „verunstaltete“ man die Gesichter der Mädchen, um sie für das Königshaus weniger attraktiv zu machen. Doch das Gegenteil war der Fall. Die Tätowierungen mit den einzigartigen Mustern sind eine der spektakulärsten und zugleich eigentümlichsten Formen von Schönheit.

Die tätowierten Frauen der Chin in Myanmar

Heute ist es verboten, sich das Gesicht tätowieren zu lassen. Die wenigen Frauen, die die Tätowierungen noch tragen, sind alt. Mit ihnen wird in den kommenden Jahren auch diese uralte Tradition sterben.

Der Staat der Chin ist eine der ärmsten Regionen in Myanmar. Von anderen Bevölkerungsgruppen im Land unterscheiden sich die Chins alleine wegen ihrer Religionszugehörigkeit. Sie sind Christen und leben vornehmlich in dünn besiedelten Bergregionen. In der rauen und teils unzugänglichen Natur bauen sie Reis und Trockenhirse an. Von den Errungenschaften der modernen Zivilisation scheinen sie nur wenig mitbekommen zu haben. Häufig werden die Chins als vergessenes Volk bezeichnet, das wenig Kontakt zur Außenwelt pflegt.

Die Gesichter Myanmars

Um mit ihnen in Kontakt zu treten und Fotos zu schießen, näherte ich mich den Menschen auf eine spielerische Art und Weise. Wir lachten gemeinsam und ich ließ die Frauen an meinem langen Bart ziehen. Lange Bärte und übermäßige Behaarung scheint es hier nicht zu geben, das faszinierte die Menschen.

Was hält die Zukunft für mich bereit?

Zur Zeit plane ich drei Fotoprojekte in Mosambik. Ich habe eine besondere Beziehung zu dem Land. Nicht nur weil ich dort gearbeitet habe, sondern weil der afrikanische Kontinent einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen eingenommen hat. Die Menschen, ihr Verhältnis zu Zeit und Raum, die Landschaften, die Musik und das Lächeln der Leute. All das fasziniert mich an Afrika. Gleichzeitig erlebt der Kontinent grundlegende soziale und wirtschaftliche Veränderungen, die ich mit meinen Bildern und Geschichten festhalten will. Zudem bin ich gerade dabei, hochwertige Kunstdruckehochwertige Kunstdrucke meiner Bilder zu erstellen.

Giacomo Carlini
Webseite: www.giacomocarlini.com
Instagram: @giacomo.carlini